Die Internationale Arbeiter-Assoziation

Ein kurzer Überblick über ihre Bedeutung.

Die IAA gilt als der erste Versuch, die Arbeiter(vereine) aller Länder organisatorisch zu vereinigen, mit dem Ziel der „vollständige(n) Emanzipation der Arbeiterklasse“ – wurde doch vielen Arbeitern aufgrund der damals vorherrschenden Wirtschaftsdoktrin des Freihandels, einer frühen Form von Globalisierung, ihre gegenseitige Abhängigkeit und die Begrenztheit nationaler Organisierung vor Augen geführt. In den Statuten wurde entsprechend der damaligen Praxis der meisten Gründungssektionen der Schwerpunkt auf „die ökonomische Emanzipation“ gelegt, dem „jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen“ sei. [1] Die IAA bestand anfangs aus meist kleinen lokalen Sektionen und dem Generalrat in London unter Marx’ Leitung. Dabei waren die Sektionen nicht unbedingt Landesverbände, sondern oft nur in kleineren Regionen präsent. Sie vertraten keine einheitliche Ideologie und waren in ihren Entscheidungen und Handlungen autonom. Jährlich fanden Kongresse statt, auf denen verschiedene Themen und aktuelle Entwicklungen diskutiert. Zwar versuchte Marx zunehmend seine Auffassung des Sozialismus als die allein gültige in der IAA durchzusetzen. Die meisten Sektionen wehrten sich jedoch gegen seine Versuche, durch die Vermehrung der Kompetenzen des Generalrates der Internationale eine zentralistische Struktur überzustülpen und den Schwerpunkt auf den politischen Kampf um die Parlamente zu verlegen. Lediglich die deutsche Sektion und ein Teil der englischen folgten überwiegend der Marxschen Orientierung.

In den folgenden Jahren verschärften sich jedoch die Auseinandersetzungen in der IAA, es kristallisierten sich zwei Richtungen heraus: eine etatistische (staatsbefürwortende) und eine antiautoritäre. Erstere stand unter der Führung von Marx und sah im politischen Kampf in den Parlamenten und dem Ziel der Machtübernahme im Staat ihren Schwerpunkt. (Zwar vertrat Marx in seinen theoretischen Schriften keineswegs etatistische oder parlamentaristische Auffassungen. In den sozialistischen Parteien, die sich auf ihn beriefen, waren solche jedoch weit verbreitet. Diese basierten nicht allein aus einem falschen Verständnis Marx’scher Theorie, sondern wurden auch durch dessen taktische Wendungen im Kampf gegen die „Antiautoritären“ genährt. Marx hat – besonders in der Auseinandersetzung mit Bakunin – aus taktischen Erwägungen nicht selten Positionen in der IAA unterstützt, die ihm ideologisch ferner standen, als die seiner Gegner. So setzte er z.B. auf dem Haager Kongress von 1872 durch, dass die Konstituierung als politische Partei (und damit auch eine Wahlteilnahme) für die IAA-Sektionen faktisch obligatorisch wurde – worüber es schließlich zur Spaltung der IAA kam.) Zudem befürworteten sie eine zentralistische und ideologisch einheitlichere Ausrichtung der Internationale, was vor allem in Marx’ zahlreichen Versuchen, die Kompetenzen des von ihm bzw. seinen Anhängern dominierten Generalrates zu stärken und die Einflussmöglichkeiten der einzelnen Sektionen zu begrenzen, zum Ausdruck kam. Sie dominierte vor allem in der deutschen Sektion sowie in einigen anderen nordeuropäischen Ländern. Die zweite Richtung stand weitgehend auf dem Standpunkt des russischen Revolutionärs und Anarchisten Michael Bakunin, der den Staat als Herrschaftsinstrument abschaffen wollte. Das Proletariat müsse deshalb Schwerpunkt auf den ökonomischen Kampf in den Gewerkschaften legen. Außerdem plädierten die Antiautoritären für einen föderalistischen Aufbau der IAA, dem Generalrat sollten nur koordinierende und unterstützende Funktionen zukommen. Diese Auffassungen wurden vor allem von den südeuropäischen und romanischen Sektionen (Frankreich, Schweizer Jura, Italien, Spanien), aber auch von Teilen der belgischen und englischen Mitgliedschaft vertreten. Diese Fraktion bildete ursprünglich eine Mehrheit innerhalb der IAA. Bis zur Niederlage der Pariser Kommune wurden diese unterschiedlichen Auffassungen infolge einer weit verbreiteten Zuversicht in Hinblick auf den in naher Zukunft erwarteten großen Umsturz zugunsten des gemeinsamen Zieles der Abschaffung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zurückgestellt. Die blutige Unterdrückung der Kommune (sowie die Niederlage der spanischen Revolutionäre 1873) und die darauf folgende Repressionsperiode führten jedoch zu einer Stagnationsperiode in der Entwicklung der Arbeiterbewegung.

1872 auf dem Kongress in Den Haag eskalierten die Auseinandersetzungen und führten zur Spaltung der Internationale. Fortan hielten beide Richtungen – die marx’sche und die bakunistisch-anarchistische –, die formal immer noch derselben Organisation angehörten, ihre Kongresse getrennt ab. Mitte der 1870er Jahre gab es noch einige Versuche, beide Flügel wieder zu vereinigen, die jedoch allesamt scheiterten, was schließlich zur schleichenden Auflösung der IAA führte. Damit begann eine Periode vorwiegend nationaler Orientierung der Arbeiterbewegungen in den einzelnen Ländern, was auch mit dem Wandel zur Schutzzollpolitik („Protektionismus“) als der vorherrschenden Wirtschaftsdoktrin nach dem Gründerkrach korrespondierte. Die anarchistischen Gruppen versuchten der zunehmenden Zentralisierungsbestrebungen und parlamentarisch-politischen Orientierung der Marxschen Fraktionen Einhalt zu gebieten – mit unterschiedlichem Erfolg.

Literatur

Braunthal, Julius: Geschichte der Internationale, Band 1. Berlin-Bad Godesberg 1978

Brupbacher, Fritz: Marx und Bakunin. Ein Beitrag zur Geschichte der Internationalen Arbeiter-Assoziation und zur Diskussion über antiautoritären und autoritären Kommunismus (Reprint des Institut für Praxis und Theorie des Rätekommunismus Berlin, 1969). München 1922

Gebrüder Schmück (Hg.): Die IAA - Geschichte der Internationalen Arbeiter-Assoziation. (Sammlung mit Texten von Souchy, Rocker, Schapiro, Jensen, Müller-Lehning, Besnard, Carbo, Mallada, Gerhard) Berlin 1980

Links

Fußnoten

[1] Marx/Engels Werke (MEW), Band 16, S.14f, Berlin 1975