Hartmut Rübner

Vom „politischen Generalstreik“ zum „revolutionären Volkskrieg“

Heinrich Laufenberg als Zentrumspolitiker, Sozialdemokrat, Rätekommunist und „Nationalbolschewist“

Für kaum eine andere Persönlichkeit der Geschichte des Radikalismus in Deutschland ist die Erkenntnis, dass sich ideologische Gegensätze zuweilen berühren oder gar überschneiden, derart charakteristisch wie für den am 19. 1. 1872 in Köln geborenen Heinrich Laufenberg. Mit der Konzeption des nationalen Kommunismus überschritt Laufenberg eine ideologische Grenzlinie und wurde zu einem Gratwanderer zwischen dem rechten und dem linken Lager. Gegen Ende seines Lebens politisch isoliert, stand er zuletzt dem linken politischen Spektrum näher als den diversen sich als sozialrevolutionär-nationalistisch verstehenden Zirkeln, deren Adepten sich bis heute bisweilen auf ihn beziehen.

Seiner Herkunft aus einer wohlhabenden rheinischen Bürgerfamilie entsprechend, nahm die politische Laufbahn Laufenberg ihren Ausgangspunkt in der katholisch-konservativen Zentrumspartei. Noch ganz unter diesem Einfluss stand auch seine 1901 an der Universität Rostock eingereichte Dissertationsschrift „Der historische Wert des Panegyricus des Bischofs Ennodius“ (Celle 1902). Auch die Aufnahme der publizistischen und journalistischen Tätigkeit am Zentrumsblatt ‘Germania’ schien ein weiterer Schritt in die so vorgezeichnete Richtung zu sein.[1] Nach einem Besuch Englands und vertiefenden Studien der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, insbesondere der Theorien von Marx/Engels und der Philosophie Josef Dietzgens, wechselte er etwa 1904 von der Zentrumspartei zur Sozialdemokratie. Den einhergehenden Bruch mit dem politischen Katholizismus dokumentiert die Veröffentlichung einiger antiklerikaler Dissidentenschriften.[2] Zunächst leitender Redakteur der Düsseldorfer Volkszeitung, folgte er im Mai 1907 einer Empfehlung Mehrings, um im Auftrag des Hamburger SPD-Vorstands eine Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung abzufassen.[3] Wie manch anderer Intellektuelle aus dem Mittelstand verstand sich Laufenberg in der Tradition der bürgerlichen Revolution von 1848 und tendierte dementsprechend zum linken Flügel der Sozialdemokratie. In seiner Funktion als Leiter der Hamburger Parteischule geriet er wegen der Radikalität seiner Einstellungen bald in Konflikt mit den Spitzengremien der SPD: ein Parteiverfahren unter Vorsitz August Winnigs enthob ihn 1912 aller Ämter. Im folgenden Jahr machte der Geschasste die Bekanntschaft mit Fritz Wolffheim (1888-1942); einem kurz zuvor aus den USA zurückgekehrten ehemaligen Handlungsgehilfen, der zuletzt als Redakteur des Publikationsorgans der Socialist Party in San Francisco tätig gewesen war.

Die Zusammenarbeit zwischen den langjährigen politischen Weggefährten sollte sich künftig derart eng gestalten, dass deren jeweiliger Anteil am theoretischen Ideengehalt ihrer zahlreichen Publikationen kaum bemessen werden kann. Die Aufarbeitung der Erfahrungen Wolffheims mit den revolutionär-industrieunionistischen Industrial Workers of the World in den USA gaben dem Massenstreikpostulat Laufenbergs (Der politische Streik, Hamburg 1914) jedoch die konzeptionellen Impulse, mit denen er die organisationsrelevanten Defizite in Rosa Luxemburgs Vorstellungen des Stellenwertes spontaner Massenbewegungen im sozialen Transformationsprozess aufzuzeigen suchte. Bereits vor 1914 galt der Linksintellektuelle als exponierter Kritiker des pragmatisch-reformistischen Kurses der SPD, der im Ruf stand, stets um die Wahrung einer unabhängigen Position bemüht zu sein. Während des 1. Weltkriegs führten Laufenberg und Wolffheim in Norddeutschland die oppositionelle Minderheit gegen die Burgfriedenspolitik der Parteiführung an. Aufgrund der innerparteilichen Disziplinierung, der Illegalisierung durch die Behörden und vor allem wegen des starken Rückhalts der Mehrheitsfraktion in der SPD, blieb die beabsichtigte Revidierung des staatstragenden Parteikurses ohne Erfolg.[4] Die Einberufung zum Militärdienst im August 1915 erlebte der Akademiker als besonders schikanös, da ihn die Militärbehörden als bekannten Kriegsgegner zum Tramkutscher ausbilden ließen. Infolge der Fortsetzung seiner politischen Aktivitäten geriet Laufenberg von Februar 1917 bis zum Mai 1918 in Militärhaft.

Nachdem er einen Tag zuvor nach Hamburg zurückgekehrt war, berief der revolutionäre Arbeiter- und Soldatenrat Hamburgs den mittlerweile als Kriegsgegner populären Linksradikalen am 11. November mehrheitlich zum Vorsitzenden der Ratsexekutive. Angesichts einer ungünstigen Machtkonstellation agierte der Linksradikale weitaus vorsichtiger als die revolutionär eingestellte Minderheit erwartet hatte.[5] Als die Räteexekutive den Senat und die Bürgerschaft der Hansestadt absetzte, sondierte dieser bereits am nächsten Tag erfolgreich für eine Zusammenarbeit mit der abgesetzten Administration. Seinen antigewerkschaftlichen Ressentiments folgend versuchte er gleichwohl das Betätigungsfeld der Gewerkschaften zugunsten der Arbeiterräte einzuschränken, was den Widerstand der gemäßigten Organisationen provozierte. Am 9. Januar 1919 eskalierte die gespannte Situation, als militante Werftarbeiter in die Gewerkschaftszentrale eindrangen und die Expeditionsräume des ‘Hamburger Echo’ besetzten, das zuvor gegen das „anarchistische Treiben der Spartacusgruppe“ mobilisiert hatte. Laufenberg ließ das mehrheitssozialdemokratische Parteiorgan kurzerhand einstellen, die Büros der Gewerkschaften schließen und deren Vermögen beschlagnahmen. Die etablierten Arbeiterverbände reagierten mit Massendemonstrationen und einer Belagerung des Arbeiterrats und erzwangen schließlich am 20. Januar 1919 dessen Rücktritt. Zunächst noch Mitglied des Arbeiterrats, blieb Laufenberg ein lokaler politischer Faktor mit einer starken Basis unter den 12000 Werft- und Hafenarbeitern in der unionistischen ‘Allgemeinen Arbeiter-Union’ (AAU). Diesem Einfluss trug ein außerordentliches Kriegsgericht Rechnung, das ihn am 20. November 1919 wegen „Aufheizung zum Aufruhr“ zu einer Haftstrafe verurteilte, aus der er am 10. April 1920 vorzeitig entlassen wurde.

Innerhalb der linksradikalen Opposition nahmen Wolffheim und Laufenberg schon während des Krieges eine Sonderstellung ein, da der entschiedene Internationalismus der Kriegsgegner deutlich mit der ausgesprochen nationalen Orientierung ihrer außenpolitischen Überlegungen kontrastierte. In dieser Hinsicht aufschlussreiche Einblicke vermittelt die gemeinsame Schrift „Demokratie und Organisation“ (Hamburg 1915), in der bereits explizit zwischen der „Ausbeutungsfunktion“ des Klassenstaates und der von ihnen postulierten „Lebensfunktion der Gesamtheit“ als Nation unterschieden wird.[6] Dem Proletariat weisen sie den konstitutionellen Auftrag für einen auf breiter Grundlage basierenden „Volkstaat“ zu, in dem die gemeinsam geschaffenen Produktionsgüter in den Besitz der ‘Allgemeinen Arbeiter-Union’ übergehen sollen. In die Kritik an dem imperialistischen Charakter des Weltkrieges vermischt sich das Marx’sche Primat der höher entwickelten Wirtschaftsgebiete mit dem Nationalstaatsgedanken Lassalle’scher Provenienz, wenn sie zur Abwehr des gegnerischen Imperialismus im Kriegsfall, die militärische Unterordnung des Proletariats unter die militärische Führung einfordern. Die militärische Integration der Arbeiterschaft zur Erhaltung der „nationalen Selbstständigkeit“ sei jedoch nicht gleichzusetzen mit der politischen Unterordnung unter die Sozialdemokratie.

In den Vordergrund ihres Interesses rückte indessen der Rätegedanke, in dem sie einen realistischen Gegenentwurf zu dem von ihnen strikt abgelehnten bürgerlich-parlamentarischen System erkannten. Die theoretisch fundierte Absage an die zentralistischen Organisationsstrukturen der Ende Dezember 1918 gegründeten KPD prädestinierte die beiden Protagonisten der linkskommunistischen ‘Hamburger Richtung’ als die prominentesten Wortführer der internen Parteikritik. Im Laufe des Jahres 1919 propagierten Wolffheim und Laufenberg den Aufbau unionistischer Industrieverbände nach US-amerikanischen Vorbild.[7] Mit der Konzeption des Rätesystems auf der Grundlage von basisorientierten Betriebsorganisationen als wirtschaftliche und politische Einheitsverbände stießen sie besonders in den Teilen der politisierten Industriearbeiterschaft auf Resonanz, die sich aus Enttäuschung über die Fortführung der gewerkschaftlichen Burgfriedenspolitik und das Scheitern der Räterepublik von den bürokratisierten Partei- und Gewerkschaftsverbänden abzuwenden begannen. Die taktischen und organisationsprinzipiellen Gegensätze der linkskommunistischen Opposition mit der KPD-Parteizentrale entluden sich auf dem 2. („Heidelberger“) Parteitag im Oktober 1919. Während die Führung den vermeintlichen Syndikalismus der Hamburger für die Zerrissenheit und Stagnation der Partei verantwortlich machte, kritisierte Laufenberg die Befürwortung der straffen Parteidisziplin als den Beginn einer neuen Führerherrschaft. Mit der Ablehnung der beabsichtigten Teilnahme an den Parlamentswahlen und ihrer Agitation für revolutionäre Kampfmethoden (Sabotage, passive Resistenz, Generalstreik) stellte sich die linke Strömung unter Führung der „Hamburger“ außerhalb der bindenden Parteileitsätze. Noch bevor sich die abgespaltene Majorität im April 1920 zur militanten Kommunistischen Arbeiter-Partei (KAPD) formierte, kehrten Wolffheim und Laufenberg unter dem Eindruck der Versailler Friedensbedingungen wieder die nationalen Ansätze ihrer Programmatik hervor und traten offen für die Wiederaufnahme der bewaffneten Kriegshandlungen mit dem „anglo-amerikanischen Finanzkapital“ an der Seite Sowjet-Russlands ein. Im November 1919 publizierten die Freunde eine Streitschrift, der sie die rhetorische Frage „Revolutionären Volkskrieg oder konterrevolutionärer Bürgerkrieg?“ voranstellten.[8] Im Sinne des in Aussicht gestellten „revolutionären Burgfrieden für die Zeit des Krieges nach außen“ sondierten die Hamburger jetzt unter patriotisch gesinnten Militärkreisen für die Unterstützung ihrer außenpolitischen Ziele. Von Seiten der KPD(S) griff Karl Radek in die beginnende Auseinandersetzung ein und bezeichnete Laufenbergs Absichten im November 1919 erstmals als „nationalen Bolschewismus“. Mit ihren kontrovers diskutierten Thesen verloren die Hamburger ihre Sprecherfunktion in der Linksopposition und provozierten ihren Ausschluss aus der KAPD, der im August 1920 folgte, nachdem Lenin bereits zuvor den „himmelschreienden Absurditäten des Nationalbolschewismus“ Laufenbergs („Der linke Radikalismus. Die Kinderkrankheit des Kommunismus“) eine polemische Absage erteilt hatte.[9]

Innerhalb der radikalen Arbeiterbewegung jetzt nahezu vollkommen isoliert, beschränkten sich die gemeinsamen Aktivitäten für eine Fusion nationaler mit sozialrevolutionären Ideen fortan auf die im September 1920 eigens zu diesem Zweck initiierte ‘Freien Vereinigung zum Studium des deutschen Kommunismus’, eine „Propagandagesellschaft“, die als Theoriezirkel den parallel dazu in Bremerhaven gegründeten ‘Bund der Kommunisten’ ergänzte.[10] Der ‚Bund der Kommunisten’ sollte die „Organisation der revolutionären Verteidigung gegen die imperialistischen Mächte des Völkerbundes“ bilden und dazu den „Aufbau der roten Armee“ vorantreiben.[11] Neue Ortsgruppen des „Bundes“ entstanden zwar auch außerhalb Hamburgs, Bremerhavens und Berlins, zerfielen jedoch ausnahmslos nach kurzer Zeit. Lediglich die Hamburger Gruppe, die anfangs 200 Mitglieder zählte und sich dann auf rund 150 Mitglieder einpendelte, existierte einige Jahre.[12] Nach spektakulären Anfangserfolgen der ‘Freien Vereinigung zum Studium des deutschen Kommunismus’ unter den durch die Friedensbedingungen diktierte Auslieferung der Handelsschiffe deklassierten Kapitänen und Schiffsoffizieren, sanken die Propagandazirkel schnell bis zur völligen Bedeutungslosigkeit herab, zumal im Herbst 1920 mit dem Rückzug der Roten Armee aus Polen die Überzeugung an eine unaufhaltsam beginnende Hegemonie Sowjet-Russlands in den verunsicherten bürgerlichen Kreisen rapide geschwunden war.[13] Die Absicht der beiden Renegaten, die AAU im Bezirk Wasserkante in den ‚Bund der Kommunisten’ zu überführen, scheiterte angeblich an dem aus KPD und KAPD gebildeten paritätischen Kampfausschuss, der im April 1921 ihren Ausschluss aus der AAU durchsetzte.[14]

Seinen zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten suchte Laufenberg in dieser Zeit durch die Aufnahme in den Schuldienst zu entgehen. Mit seinen Berufsplänen stieß er jedoch auf die strikte Ablehnung der Senatsbehörden.[15] Im September 1921 gründete er den Hamburger Kulturverlag, der seine Theoriezeitschrift ‘Volkswart’ mit dem programmatischen Untertitel ‘Parteilose Halbmonatsschrift für klassenlosen Aufbau und revolutionäre Außenpolitik’ herausgab.[16] Zur Sammlung von national- und sozialrevolutionär orientierter Strömungen gründete er im folgenden Jahr den kurzlebigen ‘Bund für Volk, Freiheit und Vaterland’, da er die von Wolffheim betriebene Hinwendung des ‘Bundes der Kommunisten’ zu völkisch-antikapitalistischen und rassistisch motivierten Gruppierungen nicht mitvollziehen mochte. An der Auflösung dieses schließlich nur noch 12 Köpfe umfassenden Konventikels im April 1925 (die Freie Vereinigung zum Studium des deutschen Kommunismus existierte noch bis 1927) und der daran anschließenden ‘Arbeitsgemeinschaft für revolutionäre Politik’ hatte Laufenberg keinen Anteil, da er eine distanzierte Haltung gegenüber dem zunehmend diffuser argumentierenden Wolffheim einnahm. Statt dessen knüpfte Laufenberg an die religiösen Ursprünge seiner politischen Laufbahn an und warb infolgedessen für eine Synthese von christlichen und ethisch-sozialistischen Leitgedanken. In der Inflationszeit trat er als Organisator von lokalen ‘Beschaffungsgemeinschaften’ in Erscheinung, die sozial Bedürftige mit Lebensmitteln versorgten. Seinen Lebensunterhalt versuchte er in dieser Zeit als Besitzer einer kleinen Druckerei zu verdienen. 1923/24 gab er das Blatt ‘Weg und Ziel. Organ für deutschen Aufbau’ heraus.[17] Aus diesem Projekt entstand wieder eine ebenso unbedeutende wie kurzlebige Zeitungspartei. In den kommenden Jahren fungierte er noch gelegentlich als Vortragsredner für die Sammlungsbewegungen anarchistisch-rätekommunistischer Restgruppen. So referierte er 1927 für den ‚Block antiautoritärer Revolutionäre’, der 1924/25 aus einer Initiative der Hamburger AAU(E) sowie der Gruppe ‚Proletarischer Zeitgeist’ entstanden war und der sich zweimonatlich zu Diskussionsveranstaltungen und Vortragsabenden im Logenhaus zu Barmbeck zusammenfand. Mit der Herausgabe der kurzlebigen Kulturzeitschrift ‘Harpune. Monatsschrift für Kulturradikalismus’ enden 1927 dann seine nachweisbaren publizistischen Aktivitäten.

Das Themenspektrum der ‚Harpune’ war breit gefächert; inhaltlich eigentlich eher diffus: Es finden sich Beiträge über das Freimaurertum, Kritik an der KPD und den Nationalbolschewismus sowjetischer Prägung,[18] affirmatives über den Zionismus, antiklerikale Artikel gegen den Vatikan, Aufsätze über Max Stirner („Das unwahre Prinzip unsrer Erziehung“) sowie über Anthropologie. Die Adressaten dieses Blattes waren offenbar prozionistische Kreise, Freimaurerlogen, Anarchisten (mehrfach wird auf Pierre Ramus verwiesen und Werbung betrieben) aber auch Freiwirtschaftler. Außer zu den Freimaurern (der Mitherausgeber Walther Funder gab die Unabhängige Internationale Logen-Correspondenz heraus), war eine organisatorische Nähe zur Gruppe Revolutionärer Pazifisten und Liga kulturradikaler Pazifisten erkennbar. Laufenberg distanzierte sich in der Harpune ebenso vom politischen Marxismus,[19] wie vom Nationalbolschewismus, den er nunmehr als diplomatische Episode betrachtete.[20] Insgesamt muten die von ihm vertretenen metaphysischen Gedankengänge eher verschroben als logisch: Seit 1920 konzentrierte Laufenberg seine politischen Aktivitäten hauptsächlich auf den Kampf gegen den angeblichen „Völkerbundimperialismus“; die fixe Idee einer Verschwörung des internationalen Finanzkapitals mit dem Ziel die deutsche Volkswirtschaft auszuplündern.

Die Trennung von Wolffheim nach 1921 rührte sehr wahrscheinlich von dessen zunehmend rechtslastigeren Entwicklung her, denn Wolffheim war in die Nähe von völkischen Kreisen geraten, die das Judentum und die Freimaurerlogen als Agenten einer internationalen „Weltverschwörung“ betrachteten. Wolffheim, der sich nationalrevolutionären Zirkeln anschloss, starb am 17. 3. 1942 im KZ Ravensbrück. Die ehemaligen unionistischen Genossen bezeichneten Laufenberg in seiner letzten Lebensphase als einen kompromisslosen Gegner des aufkommenden Nationalsozialismus.[21] Er starb völlig verarmt und gesundheitlich ruiniert am 3. Februar 1932 in Hamburg.

Laufenbergs historische Bedeutung liegt in seiner Initialwirkung einer sich ultrademokratisch-linksradikal verstehenden Basisbewegung, die allerdings dessen Avancen an die restaurativen, antidemokratischen Militärs nach den Erfahrungen des Krieges ablehnte und ihn im Verlauf ihres Emanzipationsprozesses ausschied. Der ständisch-funktionale Korporatismus und Antikapitalismus Wolffheim/Laufenberg’scher Provenienz bot letzten Endes weder dem rätekommunistischen Umfeld noch den nationalrevolutionären Bürgertum eine konkrete Identifikationsmöglichkeit. Auf seinem antiparlamentarischen Weg von der Utopie einer klassenlosen Gesellschaftsordnung zu einem völkischen Ständestaat vermochten die beiden Hamburger keine soziale Bewegung zu mobilisieren. Der in weiten Teilen der Bevölkerung Anklang findende nationalistische Revanchismus und die ebenso ausgeprägte wie nebulöse Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit abseits des proletarischen Klassenkampfes waren indessen die entscheidenden Grundvoraussetzungen für die Wahlsiege der NSDAP.

Fußnoten

[1] Fritz Wolffheim, Heinrich Laufenberg zum Gedächtnis (MS v. 7. 2. 1932), in: Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (= SAPMO) ZPA I 5/5/1 (Bl. 167ff.)

[2] Heinrich Laufenberg, Kann ein Katholik Sozialdemokrat sein?, Düsseldorf 1904; ders., Die Legende vom Arbeiterpabst, Düsseldorf 1905, ders., Lug und Trug oder Christliche Reaktion und christliches Geschäft. Ein Vademecum für Herrn Kaplan Kayser zu Viersen, Düsseldorf 1906; ders., Kritische Glossen zur klerikalen Gesellschaftstheorie, Stuttgart 1912.

[3] Heinrich Laufenberg, Geschichte der Arbeiterbewegung in Hamburg, Altona und Umgebung, Bd. 1, Hamburg 1911; Bd. 2, Hamburg 1931.

[4] Volker Ullrich, Die frühe Opposition in der Hamburger Arbeiterbewegung 1914/15, in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 28 (1992), 2, S. 210-222¸ ders., Vom Augusterlebnis zur Novemberrevolution. Beiträge zur Sozialgeschichte Hamburgs und Norddeutschlands im Ersten Weltkrieg 1914 – 1919, Bremen 1999, S. 92ff.

[5] Vgl. Volker Ullrich, Die Hamburger Arbeiterbewegung vom Vorabend des Ersten Weltkriegs bis zur Revolution 1918/19 (2 Bde.), Hamburg 1976; ders. Vom Augusterlebnis zur Novemberrevolution…, S. 158ff.

[6] Heinrich Laufenberg/Fritz Wolffheim, Demokratie und Organisation. Grundlinien proletarischer Politik, Hamburg 1915, S. 37 u. 44.

[7] Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 bis 1923, Darmstadt 1993, S. 77ff.

[8] Heinrich Laufenberg/Fritz Wolffheim, Revolutionärer Volkskrieg oder konterrevolutionärer Bürgerkrieg? Erste kommunistische Adresse an das deutsche Proletariat, Hamburg 1919.

[9] Deutschnationaler „Kommunismus“, in: Kommunistische Arbeiter-Zeitung. Organ der kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands. Wirtschaftsbezirk Groß-Berlin 1 (1920), Nr. 132. Laufenberg und Wolffheim konterten mit der Broschüre „Moskau und die deutsche Revolution. Eine kritische Erledigung der bolschewistischen Methoden, Hamburg o. J. (1920).

[10] Heinrich Vogeler, Nationalbolschewismus?, in: Sturm. Organ der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands 1 (1920), Nr. 1. In diesem Bremerhavener AAU-Organ war die nationalkommunistische Linie stark vertreten.

[11] Satzungen des Bundes der Kommunisten, in: Stadtarchiv Bochum Landratsamt 1314 (Bl. 36); Heinrich Laufenberg/Fritz Wolffheim, Resolution der Freien Vereinigung zum Studium des deutschen Kommunismus, in: SAPMO ZPA I 5/5/1 (Bl. 19).

[12] Zentrale Polizeistelle Hamburg, Bericht Nr. 80 vom 27. September 1921, in: Staatsarchiv Bremen (= StAB) 4,65/1587.

[13] Zum sogenannten Nationalbolschewismus; eigentlich: Nationalkommunismus vgl. Otto-Ernst Schüddekopf: Linke Leute von rechts, die national-revolutionären Minderheiten und der Kommunismus in der Weimarer Republik, Stuttgart 1960; Louis Dupeux, Nationalbolschewismus in Deutschland 1919-1933. Kommunistische Strategie und konservative Dynamik, München 1985, S. 82ff.

[14] Zentrale Polizeistelle Hamburg, Bericht Nr. 1 vom 6. Januar 1921, in: StAB 4,65/1586; Zentrale Polizeistelle Hamburg, Bericht Nr. 25 vom 21. Mai 1921, in: StAB 4,65/1586. Die Hamburger AAU zählte im März 1921 noch 7000 Mitglieder. Vgl. ebd.

[15] Aufnahmegesuch von Heinrich Laufenberg an Senator Krause vom 23. Juli 1921, abgedruckt in: Volkswart 1 (1921), Nr. 6.

[16] Erschienen ab Jg. 1 (1921)

[17] Weg und Ziel. Organ für deutschen Aufbau 1 (1923) – 2 (1924).

[18] Hugo Urbahns gegen den russischen Nationalbolschewismus, in: Die Harpune. Monatsschrift für Kulturradikalismus 1 (1927), Nr. 2, S. 15f.

[19] Heinrich Laufenberg, Karl Marx, der Idealist der materialistischen Geschichtsauffassung, in: Die Harpune 1 (1927), Nr. 2, S. 11f.

[20] Heinrich Laufenberg, Die Verjudung des Antisemitis, in: Die Harpune 1 (1927), Nr. 1, S. 12-15, 15.

[21] Heinrich Laufenberg †, in: Der Kampfruf. Organ der Kommunistischen Arbeiter-Union (Revolutionäre Betriebs-Organisationen) 13 (1932), Nr. 1.