Ein Schlag ins Wasser.

Magdeburgische Zeitung Nr. 219, 2. Mai 1890

Magdeburg, 2. Mai. Der Zweck der großen Maifeier sollte sein, der Welt zu zeigen, wie auf das Geheiß des simplen Arbeitsmannes die Räder auf dem ganzen Erdenrund still ständen. Dieser Versuch, die bürgerliche Gesellschaft durch die Arbeitermassen zu terrorisieren, ist auf das kläglichste gescheitert. Nur ein kleinster Bruchteil der deutschen Arbeiter hat sich verleiten lassen, den nichtsnutzigen Einflüsterungen gewissenloser Agitatoren Gehör zu schenken und durch eine durch nichts gerechtfertigte Einstellung der Arbeit zum Kampf um die Macht herauszufordern. Die breiten Massen dagegen haben Besonnenheit genug gezeigt, sich auf ein bedenkliches Spiel, zu dem die „berufenen Vertreter der Arbeiterinteressen“ sie verleiten wollten, nicht einzulassen. Zwar werden diese Vertreter nicht zögern, sich auch das Verdienst daran beizumessen, dass die Dinge so verlaufen sind, wie es tatsächlich der Fall gewesen, und sie werden sich auf die Hallesche Aufforderung berufen, in der vor einer allgemeinen Arbeitseinstellung gewarnt worden sei. Dadurch wird sich aber niemand beirren lassen. Jene Aufforderung erschien, nachdem die Führer der Partei Monate lang der Agitation zu Gunsten des Weltfeiertags mit verschränkten Armen zugesehen. Sie enthielt auch keine runde und volle Absage an die Befürworter einer allgemeinen Arbeitseinstellung, sondern es war ein Verlegenheitsmittelchen der kläglichsten, schlimmsten Art, zu dem man griff, um eine Hintertür offen zu haben für den Fall, dass die auf dem Pariser Kongresse vorbereitete Kundgebung von bedenklichen Folgen begleitet oder ein Schlag ins Wasser werden sollte. Man wollte nicht direkt die Hand dazu bieten, den Nimbus zu zerstören, der sich um die sozialdemokratische Partei seit den letzten Reichstagswahlen gebildet hat, aber die Parteiführung wird damit kein Glück haben. Der Verlauf des gestrigen Tages in Deutschland ist wohl geeignet, das Urteil, das sich über die Bedeutung der Sozialdemokratie unter dem Eindruck jener Wahlen gebildet, wesentlich zu berichtigen. Man wird auch heute die Gefahren der sozialdemokratischen Bewegung nicht unterschätzen dürfen, aber man braucht sie auch nicht zu überschätzen und unsinnigen Besorgnissen Raum geben. Der „feigen und charakterlosen Bourgeoisie“, wie Bebel sich herausnahm, das deutsche Bürgertum im Reichstage zu charakterisieren, ist es auch heute noch möglich, auf die breiten Massen der Arbeiter einen Eindruck auszuüben, der um so wohltätiger und nachhaltiger sein wird, je einmütiger und geschlossener die Organisationen der Arbeitgeber auftreten, um auch in Zukunft alle unvernünftigen Zumutungen abweisen zu können.